Was gegen Wirtschaftskriminalität getan werden kann
Wirtschaftskriminalität: Die bedeutendsten Vorgehensweisen und Informationen
Bezahlte Werbepartnerschaft - Die Wirtschaftskriminalität hat viele verschiedene Felder und macht einen großen Anteil der Kriminalität als solches aus. Dennoch werden viele Taten als "Kavaliersdelikte" abgetan, wodurch ein Unrechtsbewusstsein oft fehlt. Welche Formen gibt es und wie kann dagegen vorgegangen werden?
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Die Führungsetage eines jeden Unternehmens ist ein ausnehmend schwieriges Pflaster. Denn wer hier arbeitet, hat äußerst große Verantwortung. Daraus ergeht nicht nur die Pflicht, Schäden und Risiken von außen vom Unternehmen abzuwenden, sondern überdies solche zu vermeiden, die innen ihren Anfang finden. Wirtschaftskriminalität ist unter diesen Bedingungen ein wichtiges Feld, über das Manager grundsätzlich Bescheid wissen sollten – nicht zuletzt, um niemals aus Unwissenheit entstehende Fehler zu begehen oder zuzulassen.
1. Wirtschaftskriminalität: Überblick über den Straftatbestand
Was ist Wirtschaftskriminalität? Im Gegensatz zu sehr vielen anderen Straftatbeständen existiert hierfür keine gesetzliche, allumfassende Definition. Viel mehr ergeht Wirtschaftskriminalität aus denjenigen Delikten, die das Gerichtsverfassungsgesetz unter Paragraf 74c listet.
Daraus ergibt sich eine große Spannweite von Straftaten, die sich gegen
- den Staat bzw. seine Institutionen,
- Firmen im Allgemeinen und Konkurrenten im Besonderen und/oder
- Privatpersonen
richten. Der wirtschaftliche Bezug entsteht dadurch, dass bei der Wirtschaftskriminalität immer Unternehmen in irgendeiner Form involviert sind – sowohl als Täter, Opfer, aber auch als indirekt involvierte Drahtzieher oder Ermöglicher. Schon in den späten 1930er Jahren prägte sich angesichts dessen der Begriff des White Collar Crime:
„Straftaten angesehener Personen mit einem hohen
sozialen Status im Rahmen ihres Berufs.“
Zwar gilt diese Definition heute als etwas veraltet, weil die „Arbeit mit weißem (Hemds)Kragen“ quer durch alle Bevölkerungsschichten geht. Dennoch trifft der Satz den Kern der Sache. Denn es geht letztlich nach wie vor um Delikte …
- innerhalb von Unternehmen oder
- gegen Unternehmen oder
- begangen durch Unternehmen oder
- begangen aus Unternehmen heraus.
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Dass sich hierhinter zahllose Ausprägungen verschiedenster Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verbergen können, liegt auf der Hand. Jedoch lassen sich einige wenige Gemeinsamkeiten erkennen, die sämtlichen wirtschaftskriminellen Straftaten zu eigen sind:
- Die Delikte sind praktisch immer zumindest überörtlich, oft sogar global.
- Die Tat ist ausnehmend gut organisiert und strukturiert und die Täter sind äußerst professionell und spezialisiert.
- Moderne Techniken und Infrastruktur werden besonders intensiv genutzt. Häufig folgen solche Straftaten zudem dem Puls der Zeit hinsichtlich technischer Entwicklungen. Das heißt, hier werden oftmals frühzeitig neue Möglichkeiten wahrgenommen, um Taten zu begehen, noch bevor sich die Behörden mit dem Thema befassen konnten.
- Wirtschaftsdelikte werden häufig sowohl von Opfern als auch Tätern und zudem der breiten Bevölkerung nicht als solche wahrgenommen („Kavaliersdelikte“), wodurch ein im Vergleich mit anderen Straftaten stark verändertes Anzeige- und Aussageverhalten erkennbar ist.
Trotz all dieser Vorzeichen, die zudem häufig in ihrer Professionalität mafiösen Vorgehensweisen ähneln (und teilweise sogar mit dieser verflochten oder gar deckungsgleich sind), unterliegt Wirtschaftskriminalität jedoch einer überdurchschnittlich hohen Aufklärungsquote.
Allerdings ist diese ein Muss. Denn ein finales Merkmal von Wirtschaftskriminalität ist die Qualität und Quantität der Schädigung. Sie ist generell sehr hoch, schädigt nicht nur Einzelne, sondern die Gemeinschaft, teilweise sogar Staaten selbst.
2. Die wichtigsten Deliktbereiche, Zahlen und Vorgehensweisen
Wir fassen kurz zusammen. Wirtschaftskriminalität gehört zu den folgenreichsten Formen von Kriminalität überhaupt. Genauer: Laut dem BKA gehen mehr als 50 Prozent aller in der deutschen Kriminalstatistik erfassen Schadensvolumina auf das Konto von Wirtschaftsstraftaten.
Wenn beispielsweise die polizeiliche Kriminalstatistik für 2019 eine Gesamtschadenssumme von 6,647 Milliarden Euro ausweist, dann ist davon auszugehen, dass zirka 3,3 Milliarden auf das Konto irgendeiner Form von Wirtschaftskriminalität gehen – und dies sind nur die polizeilich bekannten Taten ohne Dunkelziffer. Zudem muss dies unter der Prämisse betrachtet werden, dass Wirtschaftskriminalität hinsichtlich der behandelten Fälle nicht einmal ein Prozent aller kriminalpolizeilich relevanten Straftaten ausmacht! Das heißt, nur eine verschwindend geringe Anzahl aller Taten sorgt für etwa die Hälfte aller finanziellen Schäden.
Doch so vielfältig Wirtschaftskriminalität sich auch darstellt, so sehr läuft es dennoch fast immer auf eine Handvoll Deliktbereiche hinaus, in denen sich alles abspielt. Auf den folgenden Zeilen werden wir genauer auf die Wichtigsten davon eingehen. Sofern nicht anders angegeben entstammen alle dort genannten Zahlen den offiziellen Bundeslagebildern Wirtschaftskriminalität aus den Händen des BKA für die jüngste Vergangenheit bis einschließlich 2020.
Steuerhinterziehung
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Deutschland ist, völlig wertneutral, ein Hochsteuerland, das in dieser Hinsicht zu den teuersten Staaten der Erde gehört. Damit ist bereits eine wichtige Raison d'Être vorhanden, die eigene Steuerlast auf illegalem Weg zu verringern.
Allerdings ist es kaum möglich, das Wie der Steuerhinterziehung hier in voller Breite aufzurollen. Allein im unternehmerischen Bereich gibt es dazu schlicht zu viele mögliche Ansatzpunkte. Jedoch kann ein brandaktueller Fall nicht nur zeigen, wie perfide hier oftmals vorgegangen wird, sondern wie schwierig es manchmal sein kann, überhaupt ein strafbares Verhalten nachzuweisen.
So urteilte der BGH erst im Sommer 2021, dass Cum-Ex-Aktiengeschäfte eine strafbare Steuerhinterziehung sind. Genauer: Durch das schnelle Verschieben von Aktienpaketen sollten die Behörden überlastet und verwirrt und so dazu gebracht werden, Kapitalertragssteuern zu erstatten, die in der Realität niemals von den Akteuren gezahlt wurden. Ursprünglich hatten die Beklagten lediglich mit dem Ausnutzen legaler Steuerschlupflöcher argumentiert, was trotz des bereits zuvor laufenden Medienskandals rund um Cum-Ex-Geschäfte erst durch das Urteil des BGH rechtssicher verneint werden konnte.
Zwar ist Steuerhinterziehung oftmals ein Mittel zum Selbstzweck. Das heißt, das Zahlen zu weniger Steuern oder der Erhalt nicht zustehender Rückzahlungen stellen die vollendete Tat dar. Allerdings kann die Steuerhinterziehung in einigen Fällen nur ein Mittel für einen größeren Zweck sein, nämlich Geldwäsche. Prinzipiell handelt es sich dabei immer um den Versuch, illegale Gelder durch eine ganze Reihe verschiedenster Methoden zu „waschen“ , also in legale (oder zumindest nicht mehr nachweislich illegale) Gelder zu transferieren.
Das kann unter anderem durch vorgetäuschtes oder echtes Glücksspiel geschehen. In solchen Fällen werden beispielsweise die illegalen Gelder genutzt, um in (legalen) Casinos echte oder virtuelle Jetons zu erstehen. Diese werden jedoch nicht eingesetzt, sondern einfach eine Weile ruhen gelassen, und dann wieder gegen Echtgeld zurückgetauscht. Da dieses als Gewinn erklärt werden kann, ist es „sauber“ und zudem im Vergleich mit anderen „Waschmethoden“ nicht mit Verlusten behaftet, sondern wird 1:1 ein- und ausgezahlt.
Diese Problematik war ein wichtiger Grund dafür, warum die scheidende Regierung Merkel noch den erneuerten Paragrafen 261 StGB verabschiedete und somit einen erheblich veränderten Geldwäschestraftatbestand. Bei diesem werden seit 2021 unter anderem sämtliche Formen von Wirtschaftskriminalität als „Vortat“ zur Geldwäsche angesehen. Dies soll sicherstellen, dass Geldwäsche künftig breiter verfolgt werden kann; nicht nur, wenn bestimmte Vortaten begangen wurden, so wie es zuvor der Fall war.
Dies ist nicht zuletzt enorm wichtig für Unternehmer: Sie müssen nun noch stärker prüfen, ob sie nach dem Geldwäschegesetz bei Vorfällen meldepflichtig sind – durch das neue Gesetz sind die Schwellen hier deutlich gesenkt worden.
Aktuelle Schadenssummen: Zirka 1,25 Milliarden Euro, Dunkelziffer geht jedoch von bis zu 100 Milliarden aus.
Betrug allgemein
Betrug: Der Versuch, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil durch die Vorspiegelung falscher, Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen zu verschaffen. So definiert es sinngemäß das Strafgesetzbuch. Und was die Wirtschaftskriminalität anbelangt, so ist Betrug hinsichtlich der Fallzahlen mit fast 28.000 (aufgedeckten) Fällen der Gipfel der Wirtschaftskriminalität und auf Platz Zwei der Schadenssummen.
Abermals handelt es sich um einen sehr breit aufgefächerten Straftatbestand, selbst wenn man ihn nur auf Wirtschaftskriminalität beschränkt. Was sich jedoch unter dem Eindruck der Pandemie in allerjüngster Zeit nochmals verstärkt hat, ist der Betrug rund um Subventionen. So erschlichen sich zahlreiche Akteure wissentlich oder zumindest billigend Mittel aus den Töpfen der Corona-Soforthilfe – obwohl sie keinen oder nur einen erheblich geringeren Anspruch darauf hatten.
Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass dieser Spezialfall gerade erst im Begriff ist, umfassender aufgedeckt zu werden. So urteilte der BGH erst im Mai 2021, dass bereits unrichtige Angaben bei den Anträgen für diese unbürokratischen Hilfsgelder einen Straftatbestand nach Paragraf 264 StGB erfüllen können.
Dieser Punkt zeigt Unternehmern zudem auf, wie wichtig Details sind, um nicht versehentlich eine Wirtschaftsstraftat zu begehen. Denn bereits unabsichtlich falsche Angaben können einen hinreichenden Anfangsverdacht erzeugen – der in einem Ermittlungsverfahren mündet.
Aktuelle Schadenssummen: Offiziell 725 Millionen Euro anno 2020, Tendenz zu den Vorjahren steigend.
Insolvenzdelikte
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Insolvenzstraftaten können verschiedenste Formen annehmen, können sogar Straftaten enthalten, die eigentlich anderen Formen der Wirtschaftskriminalität zu eigen sind – etwa Betrug. Was jedoch die häufigsten Fälle im unternehmerischen Kontext anbelangt, so stellen die Verletzung von Buchführungspflichten sowie die Insolvenzverschleppung die bedeutsamsten Deliktformen dar.
- Verletzung von Buchführungspflichten: Sie umfasst alles zwischen falschen und gänzlich fehlenden Angaben, dazu die Unterschlagung oder gar Vernichtung von diesbezüglichen Unterlagen.
- Insolvenzverschleppung: Ein trotz tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit gar nicht, nicht termingerechter oder fehlerhafter Insolvenzantrag.
Abermals muss hier die aktuell sehr spezielle Situation durch die Pandemie betrachtet werden. Bis Ende April 2021 waren die üblichen Antragspflichten ausgesetzt. Das derzeitige Lagebild ist deshalb unvollständig und wird erst in den kommenden Monaten das wahre Ausmaß der Problematik offenbaren. Bis Ende 2021 zeigte sich allerdings bereits eine steil ansteigende Kurve, die deutlich über den Werten der Vorjahre lag. Nicht zuletzt deshalb sind Insolvenzdelikte insgesamt einer der bedeutendsten Deliktbereiche der deutschen Wirtschaftskriminalität, zumindest was die Schadenssummen anbelangt.
Aktuelle Schadenssummen: Offiziell 1,10 Milliarden Euro anno 2020, im Vergleich zum Vorjahr (1,77 Mrd.) allerdings fallend. Allerdings sind noch keine abschließenden Betrachtungen durch die weiter laufende Pandemie möglich.
Anlage- und Finanzierungsdelikte
Gelder beziehungsweise monetäre Werte sind der mit Abstand bedeutendste Grund, warum überhaupt so etwas wie ein kriminelles Verhalten besteht. Angesichts dessen sollte es nicht verwundern, dass Straftaten, die sich direkt darum drehen, eigentlich legale Mittel auf illegale Weise zu beschaffen, einen erheblichen Stellenwert besitzen.
Hierzu gehören prinzipiell alle Straftaten rund um den Themenkomplex Erlangung, Vermittlung und Gewährung von Krediten respektive wesensverwandten Mitteln. Hier lassen sich in jüngerer Zeit zwei bedeutende „Treiber“ ausmachen, die als Auslöser und/oder Verstärker angesehen werden können:
- Die zuletzt stark verschärften Bankenregulierungen: Insbesondere die jüngsten Ausprägungen des „Basel“-Maßnahmenpaketes für Kreditinstitute sorgen dafür, dass diese mehr Geldmittel zurückhalten müssen, um eigene Insolvenzen abzuwenden. Diese Gelder stehen nicht mehr für die Kreditvergabe zur Verfügung, wodurch sich eine Finanzierungslücke auftut. Diese wird sowohl von anderen Anbietern genutzt als dass sie auch für diverse Kreise Anlass ist, sich Gelder an anderer Stelle in betrügerischer Art und Weise zu erschleichen – da hier nicht so strenge Überprüfungsvorgaben wie im Bankensektor bestehen.
- Das Internet mit seinen zahlreichen neuen Vorgehensweisen: Nach wie vor ist es immer noch recht leicht, sich auf diesem Weg Gelder zu erschleichen, die niemals für den angegebenen Zweck verwendet werden sollen. Durch die globale Natur des Netzes stellt dies die Strafverfolger zudem vor besondere Herausforderungen. Denn es ist leicht, Gelder zu erhalten und sämtliche Spuren zu verschleiern.
Das BKA sieht hier erneut die Pandemie als maßgeblichen Treiber der im Vergleich zu den Jahren 2018 und 2019 gestiegenen Fälle: „Hierbei werden sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen, die im Zuge der Pandemie mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert wurden, Opfer von betrügerischen Kreditangeboten.“
Aktuelle Schadenssummen: 423 Millionen Euro anno 2020. Tendenz zum Vorjahr (325 Mio.) deutlich steigend.
Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Kapitalanlagen
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Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Kapitalanlagen stellen einen Sonderfall der jeweiligen Straftatbestände dar – einen Sonderfall, der so prägnant ist, dass ihn das BKA gesondert erfasst.
Ein zuletzt deutlich angestiegenes Phänomen in diesem Zusammenhang ist der Immobilienbetrug. Speziell in der Form, dass hier Immobilien deutlich über Wert an Anleger verkauft werden. Der Grund hierfür sind die zuletzt dramatisch gestiegenen Immobilienpreise. Sie sorgen nach Ansicht von Experten für eine größere Empfänglichkeit für derart betrügerische Maschen.
Doch auch insgesamt sind Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Kapitalanlagen weiterhin ein brennendes Thema. Wichtig sind hier vor allem aktuell durch die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg geführte Sammelklagen. Sie umfassen so viele Geschädigte aus dem Bundesgebiet, dass die gesamte Statistik für das Jahr 2020 beeinflusst wird.
Aktuelle Schadenssummen: 429 Millionen Euro anno 2020. Tendenz zum Vorjahr (255 Mio.) sehr stark ansteigend.
Wettbewerbsdelikte
Wettbewerbsdelikte mögen mit gerade einmal 1.137 Fällen im Jahr 2020 den kleinsten Anteil am gesamten Straftataufkommen der Wirtschaftsdelikte haben. Ähnliches gilt für die Schadenssummen. Allerdings handelt es sich hierbei insofern um eine Besonderheit dieser Kriminalitätsform, als dass praktisch ausschließlich Unternehmen zu den Opfern gehören. Denn alles, was unter Wettbewerbsdelikte fällt, ist stark unternehmerischer Natur:
- Ausschreibungsbetrug
- Betriebs- und Geschäftsgeheimnisverrat
- Irreführende Werbung
- Strafbare Kennzeichenverletzung
Insbesondere der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen stellt einen in jüngerer Vergangenheit besonders problematisch gewordenen Straftatbestand dar – besonders deshalb, weil es bis 2019 kein griffiges Rechtsmittel gab, gleichzeitig aber die Zahlen anstiegen. Erst in diesem Jahr wurde mit dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ein völlig neues Werk aufgelegt.
Aktuelle Schadenssummen: 2,5 Millionen Euro anno 2020. Mutmaßlich Corona-bedingt stark im Vergleich zum Vorjahr (10 Mio.) gesunken.
Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen
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Alle anderen Deliktformen in dieser Liste kommen so praktisch im gesamten wirtschaftlichen Spektrum vor. Durch die spezielle Natur des bundesdeutschen Gesundheits- und Versicherungswesens erfasst das BKA jedoch auch Abrechnungsbetrug, der nur hier vorkommt.
Mit 3.840 Fällen handelt es sich abermals um eine Kategorie, die im Jahr 2020 traurige Zuwächse verbuchen konnte. Allerdings wird in Expertenkreisen vermutet, dass das gesamte Ausmaß aufgrund der Pandemie und den mehreren hundert Millionen allein hierzulande notwendigen Impfungen deutlich größer ist und vielleicht erst in Jahren ans Licht kommt. Beispielsweise gab es bereits Fälle von Impfungen mit Kochsalzlösungen, hinter denen die Polizei die Absicht vermutet, Gelder für nicht geleistete tatsächliche Impfungen zu erhalten. Hier vermuten Experten eine sehr hohe Dunkelziffer.
Aktuelle Schadenssummen: 38 Millionen Euro anno 2020. Im Vergleich zum Vorjahr (32 Mio.) leicht angestiegen. Allerdings wird eine hohe Dunkelziffer vermutet.
3. Wirtschaftskriminalität aus kriminalitätsbekämpfender Sicht
Wie bereits erwähnt hat Wirtschaftskriminalität eine besondere Qualität innerhalb des gesamten Kriminalitätsaufkommens. Zudem ist sie ein wichtiges Betätigungsfeld für Akteure aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Für ein vollständiges Bild ist es deshalb zwingend notwendig, diese Form der Kriminalität auch aus Sicht der Bekämpfer zu betrachten.
Zuständigkeiten
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Wer bekämpft Wirtschaftskriminalität? So vielfältig wie die Ausprägungen der Delikte innerhalb ihrer Kategorien, so vielfältig sind ebenso die Zuständigkeiten der jeweiligen Bekämpfung.
Prinzipiell lässt sich hier, je nach Schweregrad, ein abgestuftes Zuständigkeitskonzept erkennen:
- Speziell ausgebildete Polizeibeamte innerhalb der jeweils zuständigen Polizeipräsidien eines Bundeslandes,
- mit den Thematiken befasste Dienststellen innerhalb der Landeskriminalämter und an der Spitze
- das Bundeskriminalamt.
Im Hintergrund arbeiten natürlich zudem die jeweiligen Staatsanwaltschaften sowie die Sozial- und Finanzbehörden. Ein Sonderfall sind allerdings die zwar statistisch erfassten, aber gesondert behandelten Arbeitsdelikte. Sie werden typischerweise von den Zollverwaltungen bekämpft, weil es hierbei meist ausschließlich um leichter aufzuklärende Formen von Steuerbetrug geht – vor allem beim Thema Schwarzarbeit.
Aufklärungsquoten
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Wirtschaftskriminalität ist nicht nur aufgrund ihrer Zahlen ein solches Problem, sondern weil hier mehrere Faktoren zusammenkommen:
- Eine generell niedrige Hemmschwelle: Vieles in diesem Metier wird als „opferlose Straftat“ oder etwas Ähnliches angesehen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele Geschädigte ihrer Opferrolle nicht bewusst sind. Insbesondere innerhalb der Gesellschaft wird Wirtschaftskriminalität zudem von vielen nicht in ihren Auswirkungen auf jeden Einwohner eines Landes korrekt eingeschätzt. Entsprechend gering ist das öffentliche Interesse an Bekämpfung und Aufklärung und somit politischer Druck.
- Hohe Insiderfähigkeiten: Viele Wirtschaftsdelikte werden von Personen begangen, die sich ausnehmend gut in ihrem Metier auskennen. Entsprechend gut durchdacht, verschleiert und schwierig zu bekämpfen sind die Taten.
- Hochkomplizierte Verstrickungen: Im Gegensatz zu sehr vielen anderen kriminologisch bedeutenden Delikten sind Wirtschaftsstraftaten oft von einer besonders dramatischen Komplexität, die selbst für hochprofessionelle Ermittler in ihrer Rolle als Außenstehende nur sehr schwierig zu durchdringen ist. Ermittlungen können deshalb Jahre benötigen.
Dies alles sind zweifelsohne Faktoren, die eigentlich gegen eine Aufklärung sprechen. Allerdings zeigt die Realität ganz klar das Gegenteil. 2020 wurden von allen kriminalpolizeilich relevanten Straftaten 58,4 Prozent aufgeklärt. Bereits das ist de facto eine „gute“ Zahl. Wirklich beeindruckend ist jedoch die Quote der Wirtschaftskriminalität: 91,5 Prozent aller Fälle wurden erfolgreich aufgeklärt. Das bedeutet gemäß der offiziellen Definition, dass mindestens ein namentlich bekannter Verdächtiger ermittelt werden konnte.
Verbrechen mag sich am Ende niemals wirklich lohnen. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität bekommt diese Aussage jedoch eine besondere Qualität. Denn von zehn diesbezüglichen Straftaten bleibt im Schnitt nicht einmal eine unaufgeklärt. Alle anderen werden offengelegt und die Täter überführt.
Fazit
Wirtschaftskriminalität stellt eines der größten und vielfältigsten Felder der Kriminalität als solche dar. Und obwohl es viele Gemeinsamkeiten gibt, gleicht doch kein Fall dem anderen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Straftaten in diesem Umfeld weiterhin als „Kavaliersdelikte“ angesehen werden, wodurch die soziale Akzeptanz leider dementsprechend ist und vielfach gar kein Unrechtsbewusstsein besteht.
Jedoch muss festgestellt werden, dass die Dunkelziffer zwar sehr hoch ist, gleichsam jedoch die Aufklärungsquoten es ebenfalls sind. Wirtschaftsdelikte gehören deshalb, ganz ähnlich wie beispielsweise Bankraub, zu denjenigen Straftaten, bei denen das Aufdeckungsrisiko längst zu groß ist, um auch nur Nachlässigkeiten zuzulassen, geschweige denn aktives Handeln. Schon allein deshalb sollte jeder Manager bestrebt sein, es niemals durch eigene Nachlässigkeit zu solchen Fällen kommen zu lassen – denn als leitende Person wird er immer zumindest eine Teilschuld tragen.