25. März 2021 – Johannes Barthold
Wusstet ihr...?
10 Fakten über... Sievershausen (Lehrte)
Zwischen Hannover und Peine an der A2 liegt das beschauliche Sievershausen mit seinen knapp 2.400 Einwohnern. Doch trotz - oder gerade wegen - der kleinen Dorfgemeinschaft hat der Ort einiges zu bieten!
Auf dem Sievershäuser Friedhof steht ein Denkmal in Erinnerung an den sächsischen Kurfürsten Moritz, der bei der Schlacht von Sievershausen gefallen ist. (Foto: Antenne Niedersachsen)
Fakt 1: Eine Fehde begeistert das ganze Dorf!
Jedes Jahr an Christi Himmelfahrt bestimmen die Farben Rot und Blau das Erscheinungsbild Sievershausens - denn die Dorffehde steht an! Entlang der John-F.-Kennedy Straße teilt sich der Ort für einen Tag in Norddorf und Süddorf, um in einem sportlichen Wettkampf gegeneinander anzutreten. Ursprünglich als gemeinsame spaßige Alternative zum Vatertag gedacht, zieht das Ereignis jedes Jahr auch Schaulustige von außerhalb in den Bann.
Den Auftakt macht der Himmelfahrtsgottesdienst auf dem Platz des TSV Sievershausen, bei dem die Dorfhälfte mit der größeren Teilnehmeranzahl den ersten Punkt verbucht. Sowohl die rot gekleideten Norddörfler als auch die blau gekleideten Süddörfler nutzen die Fehde, um einen eigenen Bürgermeister ihrer Dorfhälfte für den Tag zu bestimmen und durch Banner und Aufkleber an ihren Häusern und Autos, ihre Zugehörigkeit zu zeigen. Gegen 17 Uhr endet das Ereignis in der Regel mit einem großen Fest. 2020 musste die Fehde trotz Corona nicht ausfallen, da die einfallsreichen Sievershäuser mit einer Foto-Challenge gegeneinander antraten. Diese hat das Norddorf gewonnen.
Bilder der Dorffehde
Gruppenbild der Teilnehmer 2019
(Foto: TSV Sievershausen 03)
(Foto: TSV Sievershausen 03)
(Foto: TSV Sievershausen 03)
(Foto: TSV Sievershausen 03)
(Foto: TSV Sievershausen 03)
Fakt 2: Sievershäuser Handwerk im Weltkulturerbe
Ihr kennt die Dresdner Frauenkirche? Wusstet ihr, dass dort ein Stück Sievershäuser Steinmetzkunst zu bewundern ist? Der Sievershäuser Steinmetz Arno Sauer hat für seine Meisterprüfung Teile angefertigt, die beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche verwendet wurden. Neben einzelnen Stücken des Kranzgesims' hat der Sievershäuser Feuerschalen angefertigt und so nach eigenen Schätzungen etwa vier Tonnen Material zum UNESCO-Weltkulturerbe beigetragen, welches jährlich zahlreiche Touristen bestaunen.
Fakt 3: Blutiges Gemetzel mit Handfeuerwaffen
Im 16. Jahrhundert fand die blutigste Schlacht auf niedersächsischem Boden statt. Und zwar genau dort, wo heute dörfliche Idylle herrscht und grüne Felder den Ort säumen - in Sievershausen. Die Schlacht von Sievershausen gilt außerdem als eine der ersten Schlachten auf deutschem Boden, bei der Handfeuerwaffen zum Einsatz kamen. Als sich am 9. Juni 1553 der sächsische Kurfürst Moritz und der brandenburgische Markgraf Albrecht Alcibiades bei der Schlacht von Sievershausen gegenüber standen, kämpften ca. 40.000 Krieger. 4.000 Menschen ließen ihr Leben, also fast doppelt so viele Menschen, wie heute in Sievershausen leben.
Bis heute noch ist das Herz von Kurfürst Moritz in der St. Martinskirche bestattet, während der Rest seines Körpers in seiner Heimat Sachsen liegt. Zum 300-jährigen Jubiläum der Schlacht von Sievershausen kaufte das Land Sachsen eine Fläche im Ort, um einen Gedenkstein für den gefallenen Kurfürsten Moritz zu errichten. Dieser wurde extra mit der Bahn aus Sachsen nach Sievershausen gebracht und steht nun dort, wo den sächsischen Adeligen die tödliche Kugel getroffen haben soll.
Das Gemälde "Die Schlachtung für Sievershausen gehalten anno Christii 1553: D. 9 Iulii", vermutlich um das Jahr 1600 von einem holländischen Wandermaler angefertigt, hängt in der St. Martins-Kirche von Sievershausen. Der Titel verdeutlicht den blutigen Charakter der Schlacht. (Foto: Antenne Niedersachsen)
Fakt 4: Ein Sievershäuser Friedensnobelpreis
Richtig gehört! In Sievershausen wird alle zwei Jahre rund um den internationalen Tag der Menschenrechte (10.12.) im Antikriegshaus des Dorfes ein eigener Friedenspreis verliehen. Die Stiftung "Frieden ist ein Menschenrecht" fördert mit dem "Sievershäuser Ermutigung" genannten Preis die beispielhafte Friedens- und Menschenrechtsarbeit von Vereinen mit geringerem Bekanntheitsgrad. Die Gewinner erhalten 5000 Euro Preisgeld, eine Wertschätzung für ihre Arbeit und dadurch Werbung für ihre Projekte.
Auf dem Querbalken des Antikriegshauses steht "Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen, Jesaja 2, Vers 4". (Foto: Antenne Niedersachsen)
Und der Preis hinterlässt Eindruck! 2008 gewann das Projekt "MADAM" aus Sierra Leone, welches ehemaligen Kindersoldaten psychische Betreuung und eine Perspektive anbietet. "MADAM" ermöglicht den jungen Menschen eine Ausbildung, damit sie später eine Arbeit ausüben können. Vor einigen Jahren fragten Vertreter von "MADAM", ob sie ihr neues Schulungshaus in Sierra Leone "Sievershäuser Ermutigung" nennen dürfen.
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Fakt 5: Der Jahrhundertsportler
Vergesst alle alteingesessenen Sportlegenden - Walter Brandes aus Sievershausen toppt sie! Um den Rekordsportler aus Sievershausen zu ehren, musste der Regionssportbund Hannover sogar seine Satzung ändern. Bisher wurden nur silberne Ehrennadeln verliehen. Im Jahr 2020 erhielt er für 100 Jahre Vereinsmitgliedschaft beim TSV Sievershausen 03 die goldene Ehrennadel und ist damit Niedersachsens ältestes Sportvereinsmitglied! Der Sohn des ehemaligen Vereinsvorstandes wurde mit seiner Geburt direkt Mitglied und hält seinem Verein bis heute die Treue. Ein Geheimrezept für seine Gesundheit hat er im hohen Alter übrigens nicht. Zu seinem Tagesablauf gehören aber ein Spaziergang, ab und zu Kniebeugen und Liegestütze sowie abends ein Bierchen zum Abendbrot.
Fakt 6: Die Kirche, die erstaunt (guckt)!
Der Kirchturm der St. Martins-Kirche in Sievershausen diente früher als Wehrturm, weshalb er kein Tor, dafür aber Schießscharten besitzt. Das besonders dicke Gemäuer, dessen älteste Teile über 1000 Jahre alt sind, sieht dadurch aus, als ob es erstaunt guckt! Trotz der großen Bedeutung der Kirche im Mittelalter und der Frühen Neuzeit erhielt der Turm erst 1871 ein richtiges Dach. Bis dahin war die Kirche kleiner als das gegenüberliegende Pfarrhaus.
Im Gegensatz zu den meisten Kirchen steht das Gebäude nicht im Zentrum des Dorfes, sondern am Ortsrand. Dieser Umstand ist besonders spannend, da Ausgrabungen im Jahr 1953 belegten, dass sich in der Nähe des heutigen Gebäudes ein germanischer Thing-Platz befunden haben muss. Diese für die Germanen bedeutenden Versammlungsplätze lagen meist am Rande des Ortes auf einer Anhöhe. Dies ist auch bei der Sievershäuser Kirche der Fall. Außerdem stehen auf dem Gelände alte Eiben. Diese waren für die Germanen heilige Bäume. Kein Wunder also, dass die Kirche bei dieser Geschichte staunt!
Der ehemalige Wehrturm der Sievershäuser Kirche sieht wegen seiner Schießscharte und den Fenstern aus, als ob er erstaunt ist. (Foto: Antenne Niedersachsen)
Übrigens: Der prägende Einfluss des Things auf unsere Gesellschaft zeigt sich auch heutzutage - nicht umsonst stammt die Redewendung "jemanden dingfest machen" vom Thing. Nicht am Thing teilzunehmen war zu germanischen Zeiten ein NoGo, weshalb abwesende Menschen "dingfest" gemacht wurde. Auch der Dienstag verdankt seinen Namen dem Thing.
Fakt 7: Die Berliner Mauer in Sievershausen
Auf dem Gelände des Antikriegshauses Sievershausen sind drei Teile der Berliner Mauer zu sehen. Doch wieso stehen diese Relikte aus Zeiten der Teilung Deutschlands ausgerechnet hier? Die Antwort: Um Friedensarbeit zu leisten. Der damalige Pastor Klaus Rauterberg hatte nach dem Fall der Mauer die Idee, Teile dieses symbolträchtigen Baus nach Sievershausen zu bringen, damit verschiedene Generationen und Menschen einen weiteren Anlass haben, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Jedes Jahr führt das Antikriegshaus Sievershausen Projekte durch, bei denen Menschen aus aller Welt zusammenkommen und auch mithilfe dieses Mahnmals daran arbeiten, die Mauern in unseren Köpfen abzubauen.
Auf dem Gelände des Antikriegshauses sind drei Teile der Berliner Mauer zu sehen, die als Mahnmal dienen. Sie sind eine Erinnerung an die innerdeutsche Grenze und sollen auch an die Mauern in unseren Köpfen erinnern. (Foto: Antenne Niedersachsen)
Fakt 8: Ein Hauch von Großstadt
Früher konnten die Sievershäuser Bürger, ähnlich wie in Berlin, in der "Lindenstraße" unter zahlreichen Linden spazieren gehen. Als beschlossen wurde, diese zentrale Straße im Ort verkehrsgerecht auszubauen, fielen 90 prächtige Bäume der Säge zum Opfer. Nun war der Name "Lindenstraße" nicht mehr passend und ein neuer musste her. Während der Jahresabschlusssitzung des Gemeinderats, entschied man sich dazu die Straße nach John F. Kennedy zu benennen, der im selben Jahr seinen berühmten Satz "Ich bin ein Berliner" vor Tausenden Menschen gesprochen hatte. Böse Zungen behaupten bei der Namensvergabe war Alkohol im Spiel. Schließlich wurde die Teilnahme an der Sitzung mit Schnittchen und einem Umtrunk honoriert.
Die Verbindung zu Berlin ist allerdings nicht frei erfunden. Schließlich gibt es an der Kreuzung zwischen der "Berliner Straße" und der "John F. Kennedy-Straße" in Sievershausen eine Grünfläche, auf der eine Gedenksäule steht, die der Berliner Bär krönt. So verwundert es nicht, dass die Einwohner Sievershausens diese Fläche "Berliner Platz" nennen.
(Fotos: Heiner Behrens)
Fakt 9: Wo genau liegt eigentlich Sievershausen?
Wer bei Google Maps Sievershausen eingibt, dem wird ein Gebiet angezeigt, welches nördlich der Autobahn A2 zwischen Hannover und Braunschweig liegt. Es scheint so, als würde die Autobahn die Grenze zwischen den Nachbargemeinden Hämelerwald und Sievershausen bilden. Doch diese Vermutung sowie die Darstellung bei Google Maps ist falsch, denn die Sievershäuser Ortsgrenze verläuft auch südlich der Autobahn A2. Diese kuriose Situation führt dazu, dass sich nicht nur der Sportverein SV Adler Hämelerwald sondern auch die IGS Lehrte auf Sievershäuser Grund befinden.
Als 1930 die Autobahn gebaut wurde, verlief diese durch das Gebiet Sievershausens, dessen Dorfgeschichte bis ins 9. Jahrhundert nach Christus zurückreicht. Der mit 150 Jahren vergleichsweise junge Ort Hämelerwald entstand im 19. Jahrhundert um den Bahnhof. Die Gemeinde wurde immer größer, sodass er an Sievershausen heranwuchs. Für viele Leute gilt die Autobahn so fälschlicherweise als Grenze zwischen den beiden Dörfern. In der Vergangenheit gab es bereits lebhafte Debatten um (vermeintlich) falsch aufgestellte Ortsschilder. So befürchtete ein Bürgermeister Hämelerwalds nicht ganz ernst gemeint einen NATO-Einsatz, um die Situation zu befrieden. Tatsächlich verstehen sich die beiden Gemeinden aber sehr gut! Hauptsache, die Ortsgrenzen sind kein Gesprächsthema.
Die rote Linie zeigt die Grenzen Sievershausens südlich der Autobahn (Stand 2017) nach Informationen des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung., (Foto: Antenne Niedersachsen mit Material von Google Maps)
Fakt 10: Die Dorfgemeinschaft der Darsteller
Die Sievershäuser sind ein ziemlich kreatives Völkchen! So zeugen die Theaterauftritte der Laienspielgruppe "Brummerbühne" von der Liebe fürs Schauspiel. Den Namen hat die Gruppe, welche jährlich verschiedene Stücke in der Umgebung spielt, von einer lustigen Begebenheit als sie noch "Gesellschaftsclub Humor" hieß. Junge Sievershäuser erlaubten sich damals gerne einen Scherz und fingen Brummer, auch bekannt als Schmeißfliegen, und ließen diese in den Festzelten der Nachbarorte beim Schützenfest los. Heute sorgen nicht mehr Insekten, sondern die ausgefeilten Stücke der Laienschauspieler für Furore.
Doch nicht nur die Großen haben ein Talent zum Schauspiel! Zum Weihnachtsfest 2020 zeigte die Kirchengemeinde des Ortes ihren Einfallsreichtum. Da wegen der Corona-Pandemie kein Krippenspiel in der Kirche möglich war, entschied man sich dafür, einen sehenswerten Krippenspielfilm mit den Kindern als Hauptdarsteller zu drehen! Die Idee kam so gut an, dass sich auch der Bürgermeister nicht lumpen ließ und einen der Wirte spielte!
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