11. November 2021 – Nicklas Just
Grenzdurchgangslager und Pilger-Boom
10 Fakten über... Friedland
Wusstet ihr, dass Helene Fischer über Friedland nach Deutschland gekommen sein soll und Hape Kerkeling den Ort aktuell vor neue Herausforderungen stellt?
Die Skyline von Friedland wird durch den Turm der alten Ziegelei bestimmt, Foto: Joachim Hoy
1. Fischer, Klose und Podolski
Das Zentrum Friedlands ist das Grenzdurchgangslager, über das zunächst Spätaussiedler aus ehemaligen deutschen Gebieten wieder nach Deutschland aussiedeln konnten. So soll auch Helene Fischer aus Russland über Friedland in ihre heutige Heimat gekommen sein.
Ganz offen berichten auch die Fußball-Stars Lukas Podolski und Miroslav Klose über ihre Zeit im Grenzdurchgangslager Friedland. Podolski, der gerade einmal zweieinhalb Jahre alt war, berichtet davon, dass das Grenzdurchgangslager Friedland komplett überfüllt war, wie er selbst von seiner Familie erfahren hat. Klose verbrachte nur eine Nacht im Friedländer Lager. Üblicherweise dauert ein Aufenthalt im Lager gut eine Woche. Diese Nacht sei aber ein "brutales Erlebnis" gewesen, wie Klose hier erzählt. An anderer Stelle berichtet der Fußballer von den Zuständen im Lager: "Im Auffanglager in Friedland waren wir untergebracht in einer Turnhalle, schliefen in Stockbetten, um uns so viele fremde Menschen, so viele Geräusche."
Unter regulären Bedingungen kommen im Grenzdurchgangslager Friedland rund 900 Menschen unter, Foto: Antenne Niedersachsen / Nicklas Just
2. Das älteste Lager für Vertriebene in Deutschland
In seiner Geschichte hat das Friedländer Grenzdurchgangslager nicht nur zukünftigen Berühmtheiten den Weg nach Deutschland geebnet, sondern Tausenden Menschen eine neue Heimat vermittelt. Und das schon seit 1945. Denn in Friedland steht das älteste noch bestehende Lager seiner Art. Darüber hinaus ist es auch das einzige Lager für Vertriebene, in dem es noch Kirchenräume gibt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Friedland als Standort für das Grenzdurchgangslager gewählt, weil sich hier drei Besatzungszonen trafen. Später lag es dann an der Grenze zur DDR und heute mitten im vereinten Deutschland. Aus historischen Gründen hat man sich dazu entschieden, den Namen "Grenzdurchgangslager" zu behalten, auch wenn Friedland heute weit von jeder Grenze entfernt liegt. Mit der Zeit kommen immer weniger Spätaussiedelnde nach Deutschland, weswegen der Andrang auf das Friedländer Lager immer weiter sank. Seit 2011 ist das Lager daher auch für "reguläre" Geflüchtete geöffnet.
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3. Pilger-Boom dank Hape Kerkeling
Hättet ihr gedacht, dass Hape Kerkeling mit seinem Reisebericht "Ich bin dann mal weg" und dem dazugehörigen Film einen echten Pilger-Boom auslöst? Das spürt man nicht nur auf dem im Buch beschriebenen Jakobsweg. Der Pilgerweg "Loccum-Volkenroda", der auch durch Friedland führt, soll auch Jahre nach der Veröffentlichung des Buches noch deutlich belebter sein. Daher möchte Ortsbürgermeister Joachim Hoy seinen Ort tourismusfreundlicher aufstellen. Insbesondere seit der Verfilmung von "Ich bin dann mal weg" gibt es Hoy zufolge einen besonderen Zuwachs an Pilgertourismus.
4. 46 Tage Wartezeit
Wer sein ganzes Leben in Friedland verbringt, muss ganz schön lange vor geschlossenen Bahnschranken warten. Wenn man von 75 Jahren ausgeht, die ein Mensch Zeit seines Lebens hier verbringt, wartet er hochgerechnet rund 46 Tage vor den Schranken.
Im Laufe der Jahre ist Friedland auf beiden Seiten der Bahnstrecke gewachsen, sodass häufige Gleisüberquerungen zur Tagesordnung gehören. Da aber nicht nur Regionalzüge nach Göttingen und Kassel durch Friedland fahren, sondern auch eine Menge Güterzüge und ein Personenzug in Richtung Thüringen, der in Friedland nicht einmal hält, heißt das: geschlossene Schranken.
Aber was ist schon ein bisschen Wartezeit für eine vernünftige Zuganbindung?
46 Tage ihres Lebens verbringt eine durchschnittliche Friedländerin vor diesem Bahnübergang, Foto: Antenne Niedersachsen / Nicklas Just
5. Mahnmal mit Spatenstich durch Adenauer
Über Friedland thront das Heimkehrer-Mahnmal. Es besteht aus vier steinernen 28 Meter hohen Flügeltüren, die in alle Himmelsrichtungen offen sind. Der Spatenstich für dieses Monument hat 1966 niemand anderes gesetzt als Deutschlands erster Bundeskanzler Konrad Adenauer. Die Fertigstellung im Jahr darauf konnte der damals bereits Alt-Kanzler allerdings nicht mehr erleben.
Das Mahnmal steht nicht nur an der direkten Grenze zu Hessen, sondern vor allem für die Verluste des Zweiten Weltkrieges und für die Offenheit, die das Grenzdurchgangslager des Ortes leisten soll. Von hier lässt sich ganz Friedland überblicken. Da ist es sicherlich kein Zufall, dass das Freiheitsbildnis auch aus dem benachbarten Thüringen zu sehen ist, wo es den Menschen in der damaligen DDR Freiheit und (Grenz-)Offenheit symbolisieren sollte.
Das Heimkehrer-Mahnmal in Friedland, Foto: Joachim Hoy
6. Göttinger-Sieben-Empfangskomitee
Die Göttinger Sieben sind ein fester Bestandteil niedersächsischer Geschichte. Immerhin hat man in Hannover und Göttingen einen Platz nach Ihnen benannt. Ein Teil ihres Weges führte sie auch nach Friedland, wo eine kleine Fangemeinde schon auf sie wartete. Aber fangen wir vorne an:
Die Göttinger Sieben waren Gelehrte an der Georg-August-Universität Göttingen als der König von Hannover 1837 illegalerweise das Staatsgrundgesetz aufhob. Gemeinsam haben die Sieben, darunter auch die Brüder Grimm, gegen den Akt des Monarchen protestiert. Daraufhin hat der König alle Sieben aus dem Dienst der Universität entlassen. Drei Professoren unter den Göttinger Sieben wurden sogar ins Exil verbannt: Jacob Grimm, Friedrich Wilhelm Dahlmann und Georg Gottfried Gervinus.
Also flohen sie aus dem Königreich Hannover nach Hessen. Wer in Göttingen Pferde oder Kutschen vermietete, wurde angehalten, sie nicht an Studenten abzugeben, um dem Vorfall keine zusätzliche Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Schar von Studenten machte sich dennoch am Tag vor der Reise ins Exil auf nach Friedland - zu Fuß. In dem Dorf an der hessischen Grenze warteten sie auf die Professoren und feierten sie für ihre Courage, dem König die Stirn zu bieten. Manche begleiteten sie sogar ins Exil. Der Rest blieb noch in Friedland oder machte sich direkt auf den Rückweg nach Göttingen. Ob sie dabei wenigstens ein ordentliches Transportmittel auftreiben konnten, ist nicht überliefert.
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7. Hier hat Gauß die Welt vermessen
Hättet ihr so einem Stein eine große Bedeutung zugemessen? Tatsächlich hat Carl Friedrich Gauß mithilfe dieses drei Meter hohen Konstrukts das Königreich Hannover vermessen. Der Stein steht im Friedländer Holz. Als hier noch kein dichter Wald stand, hat der Mathematiker 1821 diesen Meridianstein aufstellen lassen. Damit er ihn dann aus seinem Observatorium am Rand der Göttinger Innenstadt anpeilen konnte, mussten zwölf Bäume auf Kosten der Universität Göttingen gefällt werden. Den Meridiankreis seiner Berechnungen konnte der Mathematiker dann anhand von diesem und weiteren Steinen justieren und damit die Größe des Königreichs ermitteln.
Mithilfe dieses Meridiansteins hat Carl Friedrich Gauß das Königreich Hannover vermessen, Foto: Stefanie Deppe
8. Historische Dielen im Museum
Zugegeben: ein alter Fußboden klingt nicht gerade spektakulär, ist es aber trotzdem.
Das Museum Friedland beschäftigt sich mit dem dortigen Grenzdurchgangslager und dessen Geschichte. Damit verbunden sind unzählige Einzelschicksale, die darauf hofften und immer noch hoffen, in Deutschland ein neues Leben beginnen zu können. Um diese Geschichten erzählen zu können, wurde das Museum im alten Friedländer Bahnhofsgebäude untergebracht. Während die meisten Geflüchteten und Spätaussiedler mit Bussen nach Friedland gekommen sind, haben sie den Ort nach ihrem (meist nur einwöchigen) Aufenthalt oft mit dem Zug verlassen. Dafür sind sie auf den selben Dielen gelaufen, auf denen heute Eintrittskarten für das Museum gekauft werden können. Die alten Holzbretter, auf denen schon tausende Koffer aus aller Welt standen, sind schon ein wenig in die Jahre gekommen. Viele Kratzer, Dellen und Furchen zeichnen das Holz in dem Bauwerk aus den 1890er Jahren. Könnten diese Bretter Geschichten erzählen, kämen sie aus dem Berichten vermutlich nicht mehr heraus. Weil sie das aber nicht können, erzählt das Museum Friedland diese Geschichten.
Über diese originalen Dielen im Friedländer Bahnhofsgebäude aus den 1890er Jahren sind schon zahlreiche Vertriebene in ein neues Leben gestartet, Foto: Antenne Niedersachsen / Nicklas Just
9. Unzählige Häuser kommen aus Friedland
Das Friedländer Ziegelwerk steht mitten im Dorf und ist nicht zu übersehen. Der Turm der ehemaligen Ziegelei ragt weit in die Höhe. Über 111 Jahre wurden hier Millionen von Dach- und Mauerziegeln produziert. In den besten Produktionsjahren wurden um die 65 Millionen Steine pro Jahr hergestellt. Aber das überregionale Aussterben der Ziegeleien hat 2012 auch Friedland getroffen - als eine der letzten in ganz Niedersachsen. Rechnet man all die Ziegel hoch, die hier jemals produziert wurden, ist in Friedland wohl eine große Kleinstadt in der Größe von Bad Gandersheim oder Wiesmoor entstanden. Heute fungiert der Turm als Mobilfunkmast und definiert die Skyline von Friedland.
10. Außergewöhnliche Spielplatz-pro-Einwohner-Quote
In Friedland wohnen gerade einmal 1.200 Menschen. Für diese 1.200 Menschen gibt es insgesamt acht Spielplätze. Auf einen Spielplatz kommen in Friedland also gerade einmal 150 Menschen. Damit ist Friedland besonders kinderfreundlich aufgestellt. Der TÜV Süd empfiehlt übrigens pro 1.000 Menschen einen Spielplatz. In Großstädten wird diese Quote selten erreicht - in Friedland bei weitem übertroffen.